Wikileaks-Gründer Julian Assange droht die Auslieferung

Julian Assange musste sich jahrelang in der ecuadorischen Botschaft verstecken. Jetzt sitzt er in London in einem Gefängnis – und es droht ihm die Auslieferung in die USA. Dort erwartet ihn ein Prozess, der – so fürchten viele – nicht fair sein könnte. In Wirklichkeit steht eine Menge auf dem Spiel. Nicht nur für Julian Assange, sondern möglicherweise auch für die Pressefreiheit.

„I love Wikileaks!“ Donald Trump hat aus seinem Herzen keine Mördergrube gemacht, als Wikileaks mitten im US-Wahlkampf vor vier Jahren die Inhalte von persönlichen E-Mails der damaligen US-Verteidigungsministerin und Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton veröffentlicht hat. Denn die Inhalte waren pikant – und haben Donald Trump damals zweifelsfrei in die Hände gespielt, weil sie Hillary Clinton enorm geschwächt haben.

Heute würde Donald Trump Wikileaks wohl verteufeln und in Grund und Boden twittern, erschienen auf Wikileaks nicht minder pikante Details aus seiner Kommunikation. Wahrheit hat eben immer mehrere Gesichter, je nachdem, auf welcher Seite man steht. Ob man profitiert oder dafür bezahlt.

Wikileaks

Assange droht die Auslieferung an die USA

Derzeit wird darüber verhandelt, ob der australische Staatsbürger Julian Assange – der sich derzeit in einem Hochsicherheitsgefängnis in London befindet – an die USA ausgeliefert wird oder nicht. In den USA droht ihm ein gnadenloses Gerichtsverfahren. Alle Beobachter gehen davon aus, dass es niemals gerecht sein wird. Schon allein deswegen, weil es vor einer „Grand Jury“ im US-Bundesstaat Virginia stattfindet. Heimat der CIA und vieler anderer US-Behörden, die Geheimnisverrat ganz sicher nichts Gutes abgewinnen können.

Andere befürchten erhebliche Einschnitte für den Journalismus. Zu Recht: Denn wenn es auch juristisch riskant wird, geheime Informationen zu veröffentlichen, dann ist das für Journalisten in aller Welt keine gute Nachricht. Wer will schon 175 Jahre in den US-Knast wandern, weil er seiner Arbeit nachgeht?

Genau das droht Julian Assange. In der Tat ein sehr heikler Punkt. Denn zumindest Teile dessen, was Julian Assange mit Wikileaks getan hat, war journalistische Arbeit. Oder journalistischer Arbeit sehr ähnlich.

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Erhebliche Einschränkungen für den Journalismus befürchtet

Aber eben nur Teile davon. Denn Julian Assange wird vorgeworfen, die Whistleblowerin Chelsea Manning – damals noch Mann und Soldat bei der US-Armee und als Bradley Manning bekannt – nicht nur zur Herausgabe weiterer Dokumente und Informationen gedrängt, sondern auch beim Hacken und Passwortknacken behilflich gewesen zu sein. Das allein dokumentiert schon, dass Julian Assange kein Journalist ist. Denn ein Journalist hätte das nicht getan.

Auch hat Wikileaks Geheimdienst-Depeschen veröffentlicht, unbearbeitet und ungeschwärzt, und damit viele Geheimdienstler in aller Welt in Lebensgefahr gebracht. Ein aus meiner Sicht unverantwortliches Handeln. Journalisten beim Guardian und Spiegel haben die Dokumente bearbeitet und Stellen geschwärzt, die andere in Gefahr bringen konnten.

Nein, Julian Assange ist nicht in erster Linie Journalist. Er ist Aktivist, Hacker, Politiker, Publizist und vieles mehr. Dennoch hat der Journalismus enorm von ihm und Wikileaks profitiert. Nicht zuletzt, wenn es darum geht, Möglichkeiten zu finden, dass Informationen wirklich anonym und ohne Spuren zu hinterlassen sensible Daten übergeben können. Früher ging das nur über Wikileaks. Heute haben viele Zeitungen und Magazine, die investigativen Journalismus betreiben, an Wikileaks angelehnte Mechanismen im Angebot, um Whistleblower und Informationen zu schützen.

Julian Assange hat erkennbar jetzt schon einen hohen Preis gezahlt. Er ist seelisch und körperlich gezeichnet. Ein Gerichtsverfahren in den USA durchzustehen, das wünscht man ihm nicht. Allerdings wäre es auf der anderen Seite wichtig öffentlich zu klären, wie man mit Whistleblowern umgehen will, welchen Anspruch die Öffentlichkeit auf die „Wahrheit“ hat, wann und wo Geheimnisse richtig und gut sind und vieles andere mehr. Natürlich auch und vor allem, wie ernst man die Pressefreiheit nimmt.

 

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