Wäre das nicht praktisch: Bei Bedarf ein bestimmtes Buch als E-Book oder ein Hörbuch bei der Stadtbibliothek des Vertrauens ausleihen – bequem über das Internet. Ohne die Gefahr, sich mit Corona zu infizieren. Leider bieten das nur vergleichsweise wenige Bibliotheken – und es liegt nicht an ihnen.
Die meisten lesen in Deutschland Bücher noch auf die klassische Art und Weise: als „richtiges“ Buch. E-Books sind zwar auch beliebt, doch die Absatzzahlen stagnieren. Etwa 5,9% der verkauften Bücher in Deutschland sind eBooks. Aber wie sieht es eigentlich in den Bibliotheken aus?
Auch sie verleihen mitunter eBooks – aber eher wenig. Dabei könnte das gerade jetzt in Zeiten der Pandemie eine große Chance sein, Menschen mit Lesestoff zu versorgen. Aber es passiert nicht viel. Aus Gründen.
E-Books ausleihen – geht das überhaupt?
Ja, vereinzelt schon. Einige Bibliotheken – längst nicht alle! – bemühen sich wirklich, auch digitale Medien – also neben E-Books auch Hörbücher zB – zur Ausleihe anzubieten. Teilweise auch auf Geräten, die in den Bibliotheken ausliegen. Aber meist auch auf den eigenen Geräten.
Dazu muss dann spezielle Software wie onleihe.net heruntergeladen werden, um den Ausleihprozess zu regeln. Denn es muss ja sichergestellt sein, dass für Bibliotheks-Kunde das eBook nach der Leihfrist auch wieder zurückgibt. Die Spezial-Software schützt die Inhalte, damit sie nicht einfach so kopiert werden. Und nach Ablauf der Leihfrist vom Gerät verschwinden.
Das ist – muss man sagen – je nachdem durchaus aufwändiger als ein Buch aus dem Regal zu nehmen, scannen zu lassen und nach Hause zu gehen.
Formale Hürden
Technisch geht es also durchaus. Aber es gibt Probleme bei der Ausleihe von E-Books.
Es gibt gleich mehrere Hürden und Schwierigkeiten für die Bibliotheken. Die trifft nicht die geringste Schuld. Die meisten würden gerne – können es sich aber nicht leisten, im großen Stil E-Books anzubieten. Denn E-Books und Bücher sind nicht gleichgestellt.
Eine Bibliothek darf jedes physische Buch ausleihen. Das ist gesetzlich geregelt. Ein E-Book aber nicht. Da müssen die Bibliotheken dann mit Verlagen und Zwischenhändlern Sondertarife aushandeln, die deutlich teurer sind als physische Bücher.
Die einzelnen E-Books kosten also mehr. Außerdem stehen gerade die beliebten Titel oft erst nach einer Frist von 12 Monaten oder gar nicht zur Verfügung. Oder sie müssen die Werke lizensieren. Das bedeutet, nach Ablauf der Vertragslaufzeiten sind die E-Books futsch.
Hinzu kommt, dass mächtige Player wie Amazon dabei sind. Amazon verlegt mittlerweile auch selbst sehr viele E-Books und vor allem Hörbücher – und ist nicht besonders geschmeidig bei Preisverhandlungen. In den USA beklagen viele Kritiker, Amazon sei verantwortlich dafür, dass dort keine E-Books und Hörbücher in den Bibliotheken zur Verfügung stehen. Bei uns ist es auch Amazon, aber vor allem sind es die rechtlichen Rahmenbedingungen.
Bundesrat fordert Novelierung des Urheberrechts
Der Bundesrat fordert in einer aktuellen Stellungnahme zur Urheberrechtsreform leichteren Zugang zu Bildung, Kultur und Wissenschaft – ausdrücklich auch für die Bibliotheken. Was muss passieren?
Es braucht im Urheberrecht eine Gleichstellung von physischem und digitalen Buch – und Hörbuch. Das ist derzeit nicht gegeben. Bis vor drei Jahren gab es auch einen unterschiedlichen Mehrwertsteuersatz: Bücher 7% – E-Books 19%. Das wurde angepasst, der Rest aber nicht. Bibliotheken sollen – so die Forderung – dasselbe Recht haben, auch E-Books zu verleihen. Ohne Extrakosten.
Natürlich müssen auch die Regeln für die Verwertungsgesellschaften angepasst werden. Denn Bibliotheken zahlen Gebühren, wenn sie Bücher verleihen. Das kommt den Verlagen und Autoren zugute. Für E-Books gibt es diese Regel noch nicht. Das sollte sich dann aber ändern. Dann erhalten die Autoren über die Verwertungsgesellschaften auch eine Sondervergütung für die Nutzung in den Bibliotheken.
Viele Verlage sind dagegen
Die meisten sind natürlich anderer Ansicht. Sie sind gegen eine Ausleihe. Das verhindere Bestseller. Das ist natürlich offenkundiger Unsinn – und das sage ich, der ich auch Buchautor bin. Es hat schon immer Bibliotheken gegeben.
Es gibt einen Reformstau beim Umbau des Urheberrechts. Die EU hat entsprechende Vorgaben gemacht, die Bundesregierung hinkt mal wieder hinterher und muss viele neue Regeln sowieso umsetzen. Ein guter Zeitpunkt, meint der Bundesrat, das Urheberrecht so zu novellieren, dass Bibliotheken – aber übrigens auch Schulen und Hochschulen und Wissenschaft – einfach und rechtskonform digitale Inhalte anbieten können. Ich finde:
Nicht nur immer von Digitalisierung reden, sondern auch mal machen. Hier gibt es erheblichen Nachholbedarf. Da Schule und Bildung Ländersache ist, ist es ein bisschen schwieriger. Aber der Bundesrat hat jetzt den Nachholbedarf definiert.
Es muss was passieren. Denn gerade jetzt, in Zeiten der Pandemie, wäre es für so viele Menschen hilfreich und nützlich, wenn sie sich Zeitungen, Zeitschriften, Bücher, Hörbücher und wissenschaftliche Texte bequem digital besorgen könnte. Deutschland hinkt auch hier mal wieder hinterher.