Das Gespenst der Vorratsdatenspeicherung ist zurück

von | 13.12.2019 | Digital

Wenn Polizei und Behörden effektiv arbeiten wollen, brauchen sie heute auch Zugriff auf Daten, die im Alltag so anfallen. Das ist unumstritten. Klar muss die Polizei wissen, wer, wann mit wem telefoniert hat – oder auch, wer eine E-Mail verschickt hat. Aber auf welche Weise werden diese Daten zur Verfügung gestellt? Ein Konzept ist die Vorratsdatenspeicherung: Alle wichtigen Verbindungsdaten aller Bürger werden auf Vorrat gehalten. Für den Fall der Fälle. Hatten wir schon. Wurde von Gerichten als unzulässig erklärt und wieder abgeschafft. Aber jetzt gibt es Bestrebungen, die Vorratsdatenspeicherung wieder einzuführen.

Kritiker und teilweise auch die Presse spricht vom „Zombie Vorratsdatenspeicherung“. Ein wandelnder Untoter. Und zwar deshalb, weil die VDS schon mehrfach von höchsten Gerichten in Deutschland und in der EU einkassiert wurde. Wir hatten in Deutschland schon im Jahr 2008 eine geltende Vorratsdatenspeicherung. Das Bundesverfassungsgericht hat es 2010 gekippt.

Auch  eine ähnliche Verordnung auf EU-Ebene hat 2014 der Europäischer Gerichtshof verworfen. Auch das  Bundesverwaltungsgericht hat der Vorratsdatenspeicherung eine klare Absage erteilt oder bestenfalls in sehr, sehr milder Form akzeptiert. Trotzdem gibt es immer wieder Vorstöße der Politik, die VDS erneut auf den Weg zu bringen und zu etablieren. In Europa – und in Deutschland. Deswegen Zombie. Gerade denkt die Union wieder laut darüber nach.

Neues Argument: Neonazis beobachten

Irgendwann sind doch alle Argumente durch. Bislang war die Terrorgefahr das Argument für die anlasslose Vorratsdatenspeicherung. Jetzt ist es die wachsende Bedrohung vor Neonazis. Diese Bedrohung ist zweifellos vorhanden. Doch sollte man sich meiner Ansicht nach mal mehr Gedanken über die Entstehung machen und eine wirksame Bekämpfung der Ursachen machen als die Daten aller Bürger im großen Stil zu sammeln. Die SPD lehnt sich gegen die Bestrebungen der Union auf, zumindest bislang, mehr Daten zu speichern, um etwa die „Geflechte der Szene“ analysieren zu können.

Warum so viele Kritiker?

Das liegt auf der Hand: Zum einen ist es doch kein gutes Gefühl, wenn der Staat – oder von ihm beauftrage Institutionen oder Unternehmen – jeden Bürger im wahrsten Sinne des Wortes auf Schritt und Tritt überwachen. Alle relevanten Kommunikationsdaten speichern, Bewegungsdaten speichern und so lückenlose Bewegungsprofile erstellen können etc. Anlasslos bedeutet eben: Die Daten von uns allen werden gespeichert.

Damit sind verschiedene Risiken verbunden. Technische Lücken können dazu führen, dass Daten in falsche Hände geraten. Wie gut sind die Daten gesichert? Wer darf wann drauf zugreifen? Und was, wenn sich die Regierung ändert? Wer will garantieren, dass die Daten nicht mal missbraucht werden? Denn sie gesammelten Verbindungsdaten lassen weitreichende Schlüsse zu auf private Informationen wie den Freundes- und Bekanntenkreis, berufliche Kontakte, Krankheiten, oder politische Einstellung und Aktivitäten.

Die Stasi hätte geträumt von solchen Daten… Solche Daten im Einzelfall von Straftätern zu ermitteln und zu speichern, von einem Richter genehmigt, ist sinnvoll. Es braucht also Wege, dass die Daten nur dann gespeichert werden, wenn sie auch gebraucht werden. Andere Konzepte. Die gibt es, werden aber abgelehnt.

Neue Pläne in der EU: Predictive Policing

Aber nicht nur in Deutschland rumort es. Offensichtlich planen auch einige in der EU mehr Überwachung. Da ist sogar von einem „automatisierten Geheimdienst“ die Rede. Der EU-Rat, die Vertretung der EU-Mitgliedsstaaten, hat offensichtlich einen viel weitreichenderen Angriff auf die Persönlichkeitsrechte der Menschen in Europa vor. Die Datenschutzaktivisten vom Verein Digitalcourage aus Bielefeld haben diverse Dokumente zum Thema ausgewertet.

„Wir jammer nicht, wir klagen!
Verein Digitalcourage

Und sind dabei auf Pläne für ein „nach unserer Lesart Predictive-Policing-System“ gestoßen, wie sie sagen. Das bedeutet: Es liegen nicht nur jede Menge Daten vor, sondern diese sollen auch aktiv ständig ausgewertet werden. „Predictive Policing“ bedeutet, dass KI Kriminalität voraussagt – nach bestimmten Mustern. Der Bürger könnte dort diese Tat begehen… Offenbar soll also künftig jeder lückenlos und vollautomatisiert unter dem Vorwand so ausspioniert werden können, dass ein Algorithmus aus dem Datenschatz Hinweise auf mögliche Straftaten oder terroristische Bedrohungen ableiten kann. Das ist schon eine Nummer härter.

 

Schieb App