Frances Haugen

Facebook und die Whistleblowerin Frances Haugen

Whistleblowerin Frances Haugen bringt Facebook arg in Bedrängnis: Nicht dass sie Dinge sagt, die längst viele wissen. Aber weil sie Belege mitbringt, die das Fehlverhalten dokumentieren könnten, könnte die Politik in den USA nun reagieren. Doch wie reagiert Mark Zuckerberg?

Der Ausfall von Facebook und all seinen Diensten hat uns wohl vor Augen geführt, wie abhängig viele auf der Welt von den Netzwerken mittlerweile sind. Mehr als ihnen oft bewusst ist, und mehr, als uns lieb sein kann. Und all das passiert in einer dramatischen Woche.

In einer Woche, in der eine Ex-Mitarbeiterin von Facebook auspackt und als Whistleblowerin vor dem US-Senat aussagt. Frances Haugen hat interne Dokumente veröffentlicht und klagt Facebook an: Der Konzern spalte die Gesellschaft, Instagram sei toxisch für junge Mädchen und die Konzernspitze heize das alles wissentlich an. Schwere Vorwürfe, die ich mit unserem Netzdenker Jörg Schieb einsortieren und einordnen möchte.

Mark Zuckerberg

 Die Anschuldigungen der Whistleblowerin Frances Haugen

Frances Haufen hat rund zwei Jahre bei Facebook gearbeitet und war vor allem mit dem Kampf gegen Manipulation bei Wahlen beauftragt. Schnell hat sie gemerkt: Ich habe weder die nötigen Mittel, noch die erforderliche Unterstützung, um tatsächlich etwas zu bewegen. Das hat sie intern kommuniziert – aber nichts hat sich getan. Sie sagt: Facebook sei die Profitmaximierung wichtiger als die Menschen. Facebook schade der Gesellschaft, weil das Netzwerk aktiv dafür sorge, dass polarisierende Ansichten aufeinanderprallen.

Das alles wissen wir eigentlich auch. Haugen sagt aber, Facebook wisse das sehr genau, das belegten sogar Studien, die Facebook in Auftrag gegeben hat – aber der Konzern unternehme nicht genug dagegen, sogar „nichts“. Weil Frances Haugen interne Dokumente vorlegen kann, die das tatsächlich belegen, kommt das Unternehmen erheblich in Erklärungsnot. Das „Wall Street Journal“ hatte zuvor in einer mehrteiligen Serie, „Facebook Files“ getauft, über einige dieser Aspekte ausführlich berichtet.

Auch das Bilder-Netzwerk Instagram bekommt reichlich Kritik ab

Haugen sagt: Netzwerke wie Instagram führten zu psychischen Schäden, vor allem bei jungen Mädchen. Instagram sei „toxisch“, so die Wortwahl, denn der Körperkult und Schönheitswahn in dem Netzwerk führe dazu, dass sich immer mehr junge Menschen schlecht in ihrem Körper fühlen. Damit ist gemeint, dass auf Instagram vor allem Fotos und Videos zu sehen sind, die Menschen in glücklichen Situationen zeigen: Im Urlaub, beim Konsum, beim Sport – und es wird tatsächlich ein ungesunder Körperkult betrieben, vor allem von Frauen und Mädchen.

Auf diese Weise wird ein Körperideal geprägt, das stärker wirkt als durch Models. Denn die sieht man nur ab und an. Doch auf WhatsApp sehen die Mädchen solche Vorbilder ununterbrochen. Und wie auf Facebook promoten die Algorithmen das, was gut ankommt. Wer nicht den Idealen entspricht und sich trotzdem traut etwas zu posten, wird nicht selten mit Hass überzogen. Das kennt man auch von TikTok.

Anhörung vor dem US-Senat

Eine Anhörung vor dem US-Senat ist keine kleine Sache.

Mark Zuckerberg weist die Anschuldigungen als „zutiefst unlogisch“ zurück. „Wir verdienen Geld mit Anzeigen und die Werbekunden sagen uns immer wieder, dass sie ihre Anzeigen nicht neben schädlichen oder Wut erregenden Inhalten sehen wollen“, sagt Zuckerberg. Er kenne keinen Tech-Konzern, der Produkte herstelle, die Menschen wütend oder depressiv machten.

Zuckerberg tut, was er immer tut: Er spielt Kritik herunter und geht mit keinem Wort auf begründete Kritik oder Argumente ein. In meinen Augen erweckt es den Eindruck, als ob Zuckerberg unter Realitätsverlust leide. Denn auch wenn das Unternehmen zweifellos in den letzten Monaten einiges unternommen hat, um Hass und Hetze etwas einzudämmen: Das Problem ist doch längst nicht beseitigt.

Seine Einlassung in der Sache bekräftigt eigentlich das Argument von Haugen, dass Facebook die Realität ignoriere und nichts unternehme. Nicht, dass es einfach wäre, die Probleme zu lösen. Aber sie liegen auf dem Tisch. Dokumentationen wie „The Social Dilemma“ erklären doch sehr eindrucksvoll, wie die Plattformen die Menschen spalten. Das alles zu ignorieren lässt nur einen Schluss zu: Facebook will nicht zulassen, das Geschäftsmodell in Frage zu stellen.

The Social Dilemma

Was passieren könnte und sollte

Im EU-Parlament werden derzeit ohnehin Maßnahmen vorbereitet, „Digital Services Act“ und „Digital Market Act“, die vor allem die Großen der Branche bändigen sollen. Die aktuellen Erkenntnisse fließen da durchaus mit ein. Es gibt im Wesentlichen zwei Ideen, die Übermacht von Facebook zu brechen. Die erste: Die neue Form von Öffentlichkeit, die Facebook und andere Plattformen bereitstellen, zu regulieren.

Und zwar durch eine demokratisch kontrollierte Institution. Sie sollte im Zweifel entscheiden, was auf einer Plattform stehen darf und was nicht. Damit weder die Plattformen, noch eine Regierung alle Macht hat. Gleichzeitig müssten die Plattformen ihre Algorithmen offenlegen. Nur so sind Debatten über die Auswirkungen möglich.

Zweite Forderung: Sogenanntes Microtargeting und damit personalisierte Werbung einfach komplett zu verbieten. Auch das fordern manche in der EU. Das würde politische Manipulation erheblich erschweren, aber auch Hass und Hetze eindämmen. Außerdem hätten die Plattformen weniger Interesse, jeden Winkel unserer Privatsphäre auszuleuchten. Ich finde ja: Es würde auch schon helfen, schlichtweg zu verbieten, Persönlichkeitsprofile anzufertigen. Ich habe jedenfalls das Gefühl, die Dinge kommen in Bewegung.

 

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