Donald Trump kann nicht mehr twittern – wer hätte das gedacht. Auch Facebook, Instagram, TikTok, Snapchat, YouTube sind für den Noch-Präsidenten blockiert. Das freut viele, weil es gute Gründe gibt, Aufrufe zur Gewalt zu unterbinden. Aber sollten wirklich Unternehmen entscheiden, wer twittern darf und wer nicht?
Das bringt aber auch einige Schwierigkeiten mit sich. Bundeskanzlern Merkel zum Beispiel findet es hoch problematisch, dass Unternehmen entscheiden, bei wem die Redefreiheit eingeschränkt oder aufgehoben wird.
Mittlerweile haben einige Plattformen Donald Trump den Stecker gezogen. Das ist doch eigentlich genau das, was immer wieder von den Plattformen verlangt wird: Konsequenzen zu ziehen.
Deplatforming
Wieso nun Kritik nun an der Sperre? Nie wurde so deutlich wie in diesen Tagen, wie unglaublich mächtig die Tech-Konzerne mittlerweile sind. Ich meine: Wir sagen das hier ständig. Aber es braucht manchmal einen eindeutigen Beleg.
Und den haben jetzt. Die Plattformen sind so mächtig, dass sie über Wohl und Wehe entscheiden. Sie entscheiden, ob Donald Trump weiter twittern darf. Ob er auf seinem Lieblingskanal weiter mit der Öffentlichkeit kommunizieren kann.
Er kann nicht mehr. Das wird „Deplatforming“ genannt, ein Wort, das wir uns besser merken sollten. Dieses Deplatforming hat kein Gericht der Welt angeordnet. Die Plattformen haben die Entscheidung selbst getroffen. Also sind sie ungeheuer mächtig. Die Kanzlerin hat recht, wenn die das bemängelt, dass Konzerne nicht darüber entscheiden sollten, wer sich öffentlich äußern darf und wer nicht.
Unternehmen sollten nicht entscheiden dürfen
Aber der Zusammenhang zwischen Aufruf zur Gewalt und tatsächlicher Gewalt ist doch unübersehbar. Wieso sollte es da nicht richtig sein, die Konten von Trump zu sperren?
Aus zwei Gründen. Der erste: Der Zeitpunkt. Jetzt, wo Trump am Ende ist, sich nicht mehr so wehren kann, zeigen die Tech-Konzerne so etwas wie Stärke. Aber das ist durchschaubar: Trump kann nicht zurückschlagen– und die Demokraten regieren im Kongress.
Da ist es einfach, sowas durchzuziehen. Vor sechs Monaten, da wäre das eine Heldentat gewesen. Also: Opportunismus in den Tech-Konzernen. Zweitens: Trump ist nicht der einzige, der eine Blockade „verdient“. Es gibt chinesische, russische, osteuropäische, südamerikanische Politiker, die das auch längst verdienen.
Aber da passiert nichts. Wenn es also Regeln geben sollte, dann sollten sie auch auf alle gleich angewandt werden. Wir wissen, dass es nicht so ist.
Es kommt etwas in Bewegung
Man kann aber schon den Eindruck gewinnen, dass einiges in Bewegung gekommen ist. Konten von rechten Gruppen wie QAnon oder die Plattform Parler, ein eigenes Netzwerk , das in rechten Kreisen populär ist, wurden gesperrt oder Betreiber haben gekündigt.
Das ist korrekt. Parler zum Beispiel, eine Art alternatives Chat-Netzwerk für rechte Gruppen, läuft auf Servern von Amazon – und da wurden die Verträge von Amazon gekündigt. Auch Telegram sperrt Dutzende Kanäle, weil sie zur Gewalt aufrufen.
Es kommt wirklich mächtig was in Bewegung. Aber auch, wenn wir das in diesem Fall richtig finden: Wie fänden es dieselben Leute, die jetzt applaudieren wohl, wenn Portale oder Kanäle oder Konten gesperrt würden, die zu ihrem politischen Spektrum gehören. Dann hieße es: Zensur, Zensur. Unterdrückung.
Das zeigt, dass es dringend verlässliche Regeln braucht. Und diese Regeln dürfen nicht von den Portalen kommen. Die Eingriffe sind derart einschneidend, das darf nur der Gesetzgeber, der Staat.
So könnten Regeln konkret aussehen
Ja, die Kanzlerin beklagt das Vorgehen gegen Trump. Aber wir wollen doch mal nicht vergessen, dass die Regierung auch die Verantwortung daran trägt, dass es keine Regeln gibt. Seit Jahren sind die Probleme deutlich, sie werden immer größer.
Aber die Politik hält sich immer mit Details auf: Hier ein paar Vorschriften, was in einem Spezialfall zu tun ist, etwa bei Hasskommentaren. Dort ein paar Vorschriften. Das bringt uns aber nicht weiter. Es braucht einen großen Wurf.
Am besten europaweit einheitliche Regeln. Die Regeln müssen vom Staat kommen – und die Plattformen müssen sie umsetzen. Nicht umgekehrt, wie jetzt. Wir müssen begreifen, dass die Plattformen eine neue Form von Öffentlichkeit sind. Die Regeln müssen diesen besonderen Formen Rechnung tragen.
Wenn gegen die Regeln verstoßen wird, von wem auch immer, müssen Maßnahmen folgen – und zwar sofort. Ein unabhängiges Gremium sollte die Regeln überwachen, nachbessern und im Einzelfall entscheiden. Das verhindert auch, dass es politische Zensur geben kann. Das wäre ein großer Wurf. Es ist allerhöchste Zeit, dass wir so etwas bekommen. So gesehen ist die Causa Trump vorteilhaft: Vielen wird aktuell klar, dass es so nicht weiter gehen kann.