Ein deutsches Ehepaar verklagt Google, weil der Konzern ihre gestohlenen Nacktbilder nicht dauerhaft aus dem Index entfernt. Der Fall zeigt: Die Tech-Riesen könnten viel mehr tun – wollen aber nicht. Betroffene bleiben auf sich gestellt.
Eine Frau googelt ihren Namen (wie wir alle das schon oft gemacht haben) vor einem Jobwechsel. Was sie findet, erschrickt sie, zerstört fast ihr Leben: Nacktbilder von ihr und ihrem Mann auf Pornoseiten, auffindbar über Google. Die Suchmaschine weist den Weg.
Die Aufnahmen stammten aus einem Apple iCloud-Hack – niemals für die Öffentlichkeit bestimmt. Trotz unzähliger Löschanträge tauchen die Bilder immer wieder auf dubiosen Seiten auf.
Jetzt klagt das Paar gegen Google. Ein Präzedenzfall mit Sprengkraft.

Das Milliardengeschäft mit gestohlenen Intimbildern
Googles Geschäftsmodell funktioniert simpel: Alles indexieren, was im Netz steht – mitunter auch illegale Inhalte. Google ist zwar nicht verantwortlich für das Hochladen der illegalen Aufnahmen – was in Deutschland unter Strafe steht –, ist aber ein wichtiger „Vermittler“, weist den Weg zu den Inhalten.
Die Organisation HateAid dokumentierte allein für das deutsche Ehepaar 4.000 Links zu den privaten Aufnahmen, 2.000 davon führten über Google dorthin.
„Bildbasierte Gewalt“ nennen Experten das Phänomen. Die Täter sind häufig Ex-Partner, die sich rächen wollen, anonyme Hacker oder Datendiebe. Seit 2021 ist die Verbreitung solcher Bilder in Deutschland als Cyberstalking strafbar – trotzdem explodieren die Fallzahlen.
Google hat die Technik – nutzt sie aber nicht
Das Perfide: Google könnte das Problem technisch längst lösen. Der Konzern verwendet Hash-Technologien, die wie digitale Fingerabdrücke funktionieren. YouTube erkennt damit mühelos urheberrechtlich geschützte Musik – selbst in remixten oder verfälschten Versionen.
Die gleiche Technik könnten auch gemeldete Nacktbilder identifizieren. Auch wenn die Bilder immer und immer wieder hochgeladen werden.

Microsoft macht es vor: Die PhotoDNA-Technologie erkennt Kindesmissbrauchsdarstellungen auch dann, wenn sie gespiegelt, zugeschnitten oder farblich verändert wurden. Google nutzt PhotoDNA bereits – aber nur für die schlimmsten Fälle. Bei „normalen“ Nacktbildern ohne Zustimmung fehlt der Wille.
Das bedeutet konkret: Meldet jemand ein Bild, löscht Google nur diese eine Version aus dem Index. Lädt ein Täter das gleiche Foto gespiegelt oder in anderen Farben hoch, beginnt das Spiel von vorn. Obwohl die Technik alle Varianten erkennen könnte.
Was Betroffene sofort tun können
Bilder-Rückwärtssuche starten: Checkt regelmäßig, ob Bilder von euch im Netz kursieren. Bei Google Bilder das Kamera-Symbol anklicken, eigenes Foto hochladen – die Suchmaschine zeigt alle Fundstellen.
Screenshots sichern: Dokumentiert jeden Fund mit Datum, Uhrzeit und URL. Browser-Erweiterungen wie „Atomshot“ oder „Netzbeweis“ erstellen gerichtsfeste Belege – wichtig für spätere rechtliche Schritte.
Google-Löschformular nutzen: Seit 2015 entfernt Google gemeldete Nacktbilder (oder andere kompromittierende Aufnahmen) auf Antrag aus den Suchergebnissen. Das Formular findet ihr unter support.google.com (Suche nach „Nacktbilder entfernen“). Funktioniert in 90 Prozent der Fälle – aber nur für die konkret gemeldete Version.
Plattformen direkt kontaktieren: Facebook, Instagram, TikTok und sogar Pornhub haben Meldeformulare für unerlaubt hochgeladene intime Inhalte. Die Löschquoten sind überraschend hoch – wenn ihr hartnäckig bleibt.
Präventive Schutzmaßnahmen
Natürlich ist es auch eine gute Idee, sensible Daten und Bilder gut zu schützen, damit erst gar kein Missbrauch entsteht.
Cloud-Accounts härten: Aktiviert für alle Cloud-Dienste die Zwei-Faktor-Authentifizierung. Prüft regelmäßig, welche Geräte Zugriff haben – entfernt alte Smartphones und Computer. Nach Trennungen alle Passwörter ändern – auch für gemeinsam genutzte Accounts.
StopNCII.org vorbeugend nutzen: Dieses Tool erstellt „Fingerabdrücke“ eurer intimen Bilder, ohne sie hochzuladen. Teilnehmende Plattformen erkennen die Bilder dann automatisch und blockieren sie – bevor sie verbreitet werden.
Google Alerts einrichten: Erstellt kostenlose Benachrichtigungen für euren Namen und persönliche Daten. So bekommt ihr sofort mit, wenn neue Inhalte über euch online gehen.
Hilfe holen, aber richtig
HateAid bietet kostenlose Beratung und juristische Unterstützung für Betroffene bildbasierter Gewalt. Die Organisation hat auch das deutsche Ehepaar im Kampf gegen Google unterstützt. Wichtig: Holt euch professionelle Hilfe, bevor ihr selbst aktiv werdet. Falsche Schritte können die Situation verschlimmern.
Bei akuter Bedrohung hilft die Telefonseelsorge (0800/111 0 111) rund um die Uhr. Viele Betroffene entwickeln Depressionen oder Angststörungen – das ist normal und behandelbar.
Was der Google-Prozess bewirken könnte
Gewinnt das deutsche Ehepaar vor Gericht, müsste Google seine Praxis in Zukunft ändern. Mögliche Folgen:
- Automatische Erkennung aller Bildvarianten nach einmaliger Meldung
- Proaktive Blockierung statt reaktiver Löschung
- Härtere Sanktionen gegen Seiten, die wiederholt solche Inhalte hosten
Die EU arbeitet parallel an schärferen Regeln im Digital Services Act: Nutzerverifizierung für Porno-Plattformen, beschleunigte Löschverfahren und höhere Bußgelder.
Das Recht auf digitale Würde
Bildbasierte Gewalt zerstört Leben. Betroffene verlieren Jobs, Partnerschaften, ihr soziales Umfeld. Google verdient daran mit – und weigert sich, verfügbare Technik einzusetzen. Der Rechtsstreit des deutschen Ehepaars könnte das ändern.
Bis dahin gilt: Vorsicht beim Upload intimer Bilder, regelmäßige Kontrolle der eigenen Online-Präsenz und bei Betroffenheit schnell professionelle Hilfe holen. Die Täter gehören an den Pranger – nicht die Opfer.
Tools zum Schutz:
- Bilder-Rückwärtssuche: images.google.com
- Präventiver Schutz: stopncii.org
- Google-Löschung: support.google.com
- Hilfe: hateaid.org, Telefon 030/252 088 38