Der Messenger Telegram spielt eine große Rolle bei der Radikalisierung von Querdenkern und Coronaleugnern. Aus technischen und juristischen Gründen ist es schwierig, Hass, Hetze und Gewaltaufrufe auf Telegram einzudämmen.
Der Messenger Telegram ist zunehmend ein Problem für den gesellschaftlichen Frieden. Hier kursieren reichlich gefährliche Inhalte: Desinformation, Verschwörungstheorien und vor allem unverhohlene Aufrufe zur Gewalt. Die leider immer öfter auch in konkrete Taten umgesetzt werden.
Anders als bei Plattformen wie Facebook, Youtube oder Instagram sind die Betreiber von Telegram nicht wirklich bekannt – und das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG), das Plattformen zum zeitnahen Entfernen von Hass, Hetze und kriminellen Inhalten zwingt, lässt sich auf Telegram kaum durchsetzen.
Warum ist das so?
Telegram: Eine Art Volksempfänger
Vor allem rechte Gruppen nutzen geschickt das Interesse und die Neugierde vieler Menschen, die einfach nur mal bei Telegram reinschauen und sich „alternativ“ informieren wollen. Links aus dem Netz direkt in Telegram-Gruppen machen so etwas leicht möglich. Einmal da, werden die Menschen überschüttet mit Desinformationen, Mythen und Verschwörungen – und da kommt man dann nur noch schwer raus.
Auf Telegram werden nicht nur Falschnachrichten verbreitet, sondern auch konkrete Aufrufe zur Gewalt. Fast alle Taten der jüngsten Vergangenheit – ob Morddrohungen, Fackelaufzüge oder brutale Demos –, sind auf Telegram organisiert worden. Die Menschen werden doch aufgestachelt. Und weil in den Gruppen und Kanälen schnell ein „Wir“-Gefühl entsteht, lassen sich viele mitreißen.
Es gibt keinen Zweifel: Telegram ist das mit Abstand wichtigste Instrument, wenn es um Radikalisierung und Ausbreitung von Hass, Hetze und konkreten Gewaltandrohungen geht.
Warum nutzen Radikalen ausgerechnet Telegram so gerne?
Telegram ist eine neue Kategorie von Onlineplattform, eine Mischung aus Social Network und Messenger. Genau deshalb funktioniert dort die Radikalisierung von zuvor einigermaßen bürgerlichen Menschen so ausgezeichnet: Telegram verbindet die Intimität und Sofortheit von Messengern mit der Viralität und dem News-Gefühl von Social Networks.
Telegram-Gruppen können bis zu 200.000 Nutzer haben. In den sogenannten „Kanälen“, die man bei Telegram abonnieren kann und wo einen niemand aufnehmen muss, ist die Zahl der Mitglieder unbeschränkt. Und so haben manche Kanäle mehrere hunderttausend Empfänger. Gleichzeitig ist es möglich, sehr bequem aus Gruppen in Kanäle zu verlinken und umgekehrt. Wer sich einmal darauf einlässt, gerät in einen regelrechten Strudel und kommt nicht mehr raus. „Rabbit Hole Effekt“ wird das genannt. Wie in einem Kaninchenbau.
Wie lässt sich Telegram regulatorisch in den Griff bekommen?
Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG), das Betreibern unter Androhung hoher Geldstrafen diverse Verpflichtungen macht, etwa die Möglichkeit zur Meldung von Straftatbeständen und/oder das Entfernen von kriminellen Inhalten, gilt für Telegram nicht so eindeutig. Denn Telegram ist eben in erster Linie ein Messenger.
Gegründet wurde Telegram von Russen. Wer es heute betreibt, ist nicht wirklich bekannt. Telegram hat seinen Unternehmenssitz mittlerweile in Dubai. Die dortigen Behörden kooperieren aber nicht. Anordnungen werden nicht zugestellt; es sind kaum Repressalien möglich.
Der einzige Weg wäre, die Betreiber der offiziellen Shops – also Google und Apple – dazu zu verpflichten, Telegram aus dem Angebot (Store) zu werfen und installierte Apps zu entfernen.
Das würde sicher zwar aus Protest auslösen, aber es muss ja etwas passieren. Außerdem wäre es nötig, Beamte bei Telegram fahnden zu lassen und Strafbefehle im großen Umfang zu bewirken. Aber das ist sehr aufwändig, weil sich niemand mit echten Namen bei Telegram anmelden muss. Es ist eine schwierigem sogar gefährliche Situation.
Wie durchsetzungsfähig ist das Netzwerkdurchsetzungsgesetz?