Verschärftes NetzDG: Reichlich berechtigte Kritik

von | 20.02.2020 | Digital

Seit Anfang 2018 gibt es in Deutschland das „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“, kurz NetzDG. Es soll helfen, Hass und Hetze im Netz einzudämmen. Allzu gut ist das nicht gelungen. Die Verrohung nimmt zu. Auch und besonders im Netz. Hass, Hetze, Bedrohungen und Beleidigungen nehmen zu.

Jetzt will die Regierung mit einer Verschärfung des NetzDG dagegen vorstellen. Der Entwurf wurde jetzt vom Kabinett auf den Weg gebracht. Doch es regt sich eine Menge Widerstand, unter anderem deswegen, weil das Gesetz vorsieht, dass sogar Passwörter von Usern herausgegeben werden sollen.

Bislang sieht das NetzDG vor, dass große Plattformen wie Facebook oder Twitter Hasskommentare schneller entfernen müssen, wenn sie Kenntnis davon erlangen.

Nun ist ein regelrechtes Paket an Verschärfungen geplant. In sozialen Medien geäußerte Drohungen, Beleidigungen oder Verleumdungen sollen künftig unter das Strafgesetz fallen und können mehrjährige Haftstrafen nach sich ziehen.

Es ist zum Beispiel ausdrücklich verboten, im Netz Gewalt anzudrohen – auch sexuelle Gewalt. Es sind konkrete Haftstrafen möglich. Das ist eine deutliche Verschärfung der aktuellen Situation – und in meinen Augen auch sehr sinnvoll und nötig.

Wer in Netzwerken unterwegs ist, weiß, wie allgegenwärtig Drohungen, Beleidigungen und Verleumdungen sind. Aber auch gegen Hass und Hetze soll strenger vorgegangen werden. In ganz bestimmten Fällen müssen die Plattformen beanstandete Inhalte nicht nur löschen – wie jetzt schon -, sondern auch melden. An das BKA.

Netzwerke sollen von sich aus melden

Facebook, Youtube, Twitter und Co. sollen also von sich aus melden, wenn sie wahrscheinlich rechtswidrige Inhalte entdecken. Das finden viele falsch.

Das Problem ist, dass der Gesetzentwurf eine umfangreiche Meldung vorsieht. Es soll nicht nur der eigentliche Inhalt gemeldet werden, sondern auch die IP-Adresse und der Port des Urhebers. Alles wird zum BKA übertragen. Problematisch ist, dass das BKA wohl eine Datenbank pflegen soll, in der Opfer und mögliche Täter gespeichert werden.

Die Befürchtung: Es würde ein Register von potenziellen Opfern entstehen, etwa Juden, Homosexuelle, Aktivisten. Auch die potenziellen Täter landen in einer Datenbank. Hunderttausende pro Jahr, ist die Schätzung.

Denn so viele Postings werden gelöscht und müssten künftig gemeldet werden. Eine solche Verdachtsdatenbank wäre natürlich in der Tat bedenklich. Dieser Aspekt muss sicher überarbeitet werden.

Behörden müssten deutlich personell aufgestockt werden

Es sollen hunderttausende von Meldungen  sein, die im BKA auflaufen. Aber wäre das überhaupt dafür gerüstet? Klare Antwort: Nein! Deshalb macht ein solches Gesetz auch nur Sinn, wenn der Apparat dahinter das auch bewältigen kann.

Das BKA hat sein Personal schon aufgestockt. Aber das ist auch ein riesiges Problem und ein wichtiger Teil der Kritik: Nicht nur das BKA müsste aufgestockt werden, auch die Länderpolizeien, an die die Fälle weitergereicht werden. Es braucht mehr Personal. Bessere Ausstattung. Bessere Kompetenz und Schulung.

Dasselbe gilt für die Staatsanwaltschaften: Es wären Hunderte von zusätzlichen Staatsanwälten nötig. Auch die Justiz müsste erweitert werden, um die geschätzt 150.000 Fälle zügig bearbeiten zu können. Dazu kein Wort aus der Regierung. Denn das kostet viel Geld – und die Stellen lassen sich ja auch nicht von heute auf morgen besetzen.

Meldung und effektive Strafverfolgung ist zweifellos sinnvoll – wenn der entsprechende Apparat da ist. Aber die Speicherung von solchen sensiblen Daten, weil Soziale Netzwerke Fälle melden – lieber mehr als weniger, um rechtssicher zu sein –, ist höchst problematisch.

akten files

Passwörter rausgeben? So ein Unsinn…

Kritiker stören sich auch daran, dass Polizei und Behörden Passwörter anfordern können, um in die Konten zu schauen.

Zu Recht. Anfangs war das umfangreicher geplant, jetzt nur noch auf richterliche Anordnung. Aber es ist wirklichkeitsfremd: Passwörter werden nicht in Klartext gespeichert und können deshalb auch nicht herausgegeben werden. Das ist also eine Nonsense-Anforderung. Oder die Onlinedienste müssten Passwörter künftig im Klartext speichern.

Ein aus gutem Grund absolutes Nogo in der Informatik. Viel zu gefährlich, leichter kann man es Hackern nicht machen. Auch netzpolitik.org warnt davor. Die Begehrlichkeit ist verständlich – aber vollkommen unrealistisch. Oder nur unter extrem hohen Nebeneffekten zu realisieren. Übrigens war eben das auch schon in der eEvicence-Verordnung geplant.

Korrekturen nötig

Es wird sicher noch Korrekturen am Gesetzentwurf geben, anderenfalls wird der Bundestag das sicher nicht bestätigen. Bedenklich ist, dass Facebook und Co. zu „Hilfs-Sheriffs“ gemacht werden, sagen Kritiker. Das stimmt auch. Viel besser wäre es, Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften aufzubauen – wie die ZAC (Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime) in Köln. Das funktioniert sehr gut.

Mehr davon – und die besser ausstatten. Allerdings müssten die Plattformen dann auch Daten herausgeben, wenn Ermittlungen eingeleitet werden. Das tun sie heute nicht, weil sie nicht müssen, beklagt sich der Chef dieser Staatsanwaltschaft. Solche Aspekte kann und sollte ein NetzDG 2.0 verbessern. Aber ohne Passwort-Herausgabe und Melderegister beim BKA.

 

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