Wenn Plattformen journalistische Inhalte zensieren

von | 26.02.2021 | Digital

Viele Menschen informieren sich ausschließlich oder vor allem auf Plattformen wie Youtube, Facebook, Instagram, Google… Die Bedeutung der Plattformen als Verbreitungsweg nimmt unbestreitbar zu. Doch immer öfter blockieren die Plattformen Inhalte. In Australien sperrt Facebook – zum eigenen Vorteil, um im Streit mit der australischen Regierung eine bessere Verhandlungsposition zu haben – einfach mal alle(!) Medieninhalte. Was zeigt: Sie können das – und sie machen das auch. In Deutschland hat Facebook jetzt einen Monitor-Beitrag blockiert. Und Google eien Ausgabe der Titanic. Sind die Plattformen überfordert – oder zensieren sie sogar Inhalte?

Die Redaktion „Monitor“ hat einen Beitrag gemacht über den rassistisch motivierten Anschlag in Hanau. 13 Minuten lang. Wie wir das von Monitor kennen: Präzise, kritisch, auf den Punkt. Die Redaktion hat den Beitrag bei Facebook und Instagram eingestellt. Oder besser: Wollte ihn einstellen, Bei Instagram war er kurz online, ist dann aber wieder schnell verschwunden.

Bei Facebook ist er gar nicht erst online gegangen. Die Redaktion hat keine Begründung bekommen, außer, der Beitrag verstoße gegen die Nutzungsbedingungen. Auch keinen Hinweis, dass irgendeine Prüfung durchgeführt wird. Auf Nachfragen wurde laut Georg Restle, dem Leiter vom Monitor, erst mal nicht reagiert. Später kam eine Entschuldigung, es wäre ein Fehler gemacht worden. Aber da ging der Beitrag immer noch nicht online. Jetzt ist er zu sehen.

KI kümmert sich um die Sperren

Die Plattformen setzen Künstliche Intelligenz (KI) ein, um hochgeladenes Material und Postings zu untersuchen. Wenn Schlüsselbegriffe wie „Terror“, „Rassismus“ oder „Töten“ fallen – und dazu auch noch Bilder existieren, die das nachstellen und damit für die KI echt aussehen könnten, liegt der Verdacht nahe, dass die KI den Beitrag als kritisch einstuft und deshalb markiert. KI ist eben nicht intelligent, jedenfalls nicht mal intelligent genug, um Hetze und Aufklärung zu unterscheiden.

Es reicht nicht mal, um einen journalistischen Beitrag zu identifizieren. Denn hier hat kein Redakteur auf seinem Privatkonto den Beitrag hochgeladen, sondern die Redaktion „Monitor“, die sogar über ein blaues Häkchen verfügt – „Verified Account“. Facebook und Instagram wissen also, dass es sich tatsächlich um die Redaktion handelt – und trotzdem blockieren sie die Veröffentlichung eines Beitrags. Offensichtlich hat sich auch niemand die Mühe gemacht, nach der Sperre durch die KI den Beitrag mal als Mensch und mit gesundem Menschenverstand anzuschauen – und durchzuwinken.

Auch „Titanic“ wurde blockiert

Nicht der einzige Fall dieser Art. Das Satire-Magazin „Titanic“ hatte auch kürzlich Stress, allerdings mit Google. Das Angebot ist aus dem Google Play Store verschwunden, weil ein Cover als zu anzüglich gilt.

Wir alle kennen die Titanic und ihren nicht immer ganz einfachen Sinn für Humor. Ein Titelbild der Titanic beschäftigt sich mit den Missbrauchsfällen in der Katholischen Kirche – und hat dazu ein Cover gemacht, das in der Tat aufsehenerregend ist. Auch hier gilt: Vermutlich hat die KI eine Missbrauchshandlung auf dem Cover erkannt und losgeschlagen.

Gut so. Aber dann müsste sich ein Mitarbeiter das eigentlich anschauen und erkennen: Das ist Presse. Das ist Satire. Das ist ein Heft, das im Handel ist. Wer sind wir, wenn wir das sperren – und hätte die KI überstimmen müssen. Auch hier gab es tagelange Sperren. Am Ende hat Google zumindest Größe bewiesen, Titanic wieder freigeschaltet und sich mit einer witzigen Karikatur bei Titanic entschuldigt. Ein ganz anderes Verhalten als Facebook.

Zensur oder Überforderung?

Kann man also sagen: Die großen Plattformen sind überfordert – und zensieren Medieninhalte?

Dass sie Medieninhalte zensieren ist ja offensichtlich: In Deutschland wird eine ausgestrahlte Ausgabe von „Monitor“ nicht online gestellt – und damit Millionen Menschen vorenthalten. Das Netzwerkdurchsetzungsverbot (NetzDG) zwingt die Plattformen, nach Inhalten zu suchen, die gegen geltendes Recht verstoßen – das ist richtig so und das wollen wir ja auch. Allerdings dürfen die Plattformen eigentlich nur bei offensichtlichen Rechtsverstößen oder bei Meldungen sperren.

Das scheinen sie allem Anschein nach nicht wirklich im Griff zu haben, wie man sieht. Denn wenn Presseprodukte blockiert werden, ist das wohl nicht besonders „intelligent“, KI hin, KI her. Ja, die Plattformen sind mit der Aufgabe überfordert – und müssen dringend nachbessern.

Zeitungen

Die beiden Fälle finde ich fatal. Offensichtlich hält Facebook seine eigenen Regeln und Maßstäbe für wichtiger als die unseres Staates und Gesetzgebers. Das ist schon ein ungeheuerlicher Vorgang. Dasselbe bei Google. So lange keine Anordnung eines Gerichts vorliegt, dass ein Pressewerk nicht veröffentlicht werden darf – was selten genug vorkommt –, sollte ein Facebook oder Google oder wer auch immer auf gar keinen Fall eingreifen dürfen.

Wo kommen wir da hin, dass amerikanische Unternehmen entscheiden, was gezeigt werden darf? Das ist unvertretbar. Es ist aus meiner Sicht unerlässlich, dass die Plattformen Inhalte von Presse unangetastet lassen und ohne Wenn und Aber veröffentlichen. Sie sind ein Verbreitungsweg. Wie würden wir das finden, wenn ein Satellitenbetreiber entscheidet, ob ein Beitrag gesendet werden darf? Es ist unfassbar. Es muss also so sein, dass redaktionelle Inhalte – und dazu können auch Youtuber oder Blogger gehören – unangetastet bleiben. Es braucht einen entsprechenden Status – keinen blauen, einen grünen Haken von mir aus. Das muss der Gesetzgeber regeln – am besten europaweit.

 

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