Fall Künast und NetzDG: Wer im Netz beleidigt oder bedroht, muss vermehrt mit Strafen rechnen

von | 04.02.2022 | Digital

Renate Künast hat vor dem Bundesverfassungsgericht einen Sieg eingefahren: Facebook muss der Politikerin mitteilen, wer sie da auf Facebook aufs Übelste beleidigt hat. Eine Trendumkehr, da Opfer nun mehr Möglichkeiten haben, sich zu wehren. Gleichzeitig wurde das NetzDG verschärft.

Die Grünen-Politikerin Renate Künast wurde und wird auf Facebook und anderen Plattformen immer wieder beleidigt und sogar bedroht.

Anders als andere Politiker geht Renate Künast aber damit sehr offensiv um und auch immer wieder juristisch dagegen vor. Sie wehrt sich. Sogar bis zum Bundesverfassungsgericht. Diese Woche ist dort ein Urteil ergangen, das man eindeutig als Sieg für Renate Künast bezeichnen kann. Demnach muss Facebook der Politikerin mitteilen, wer sie da eigentlich aufs Übelste beleidigt hat. Denn diese Auskunft hat das Netzwerk bislang verweigert. In der Branche wird das Urteil als wegweisend betrachtet.

Renate Künast geht offensich mit Hasskommentaren um

Renate Künast geht offensiv mit Hasskommentaren um

Übelste Beleidigungen – Meinungsfreiheit?

Renate Künast hat in der Vergangenheit immer wieder gegen Beleidigungen im Netz geklagt – und keineswegs immer Recht bekommen.

Der Politikerin wurden schon viele Beleidigungen auf Facebook und anderswo zugemutet: „Drecksau“, „Schlampe“, „Sondermüll“ – oder einfach „ein Stück Scheiße“. Und das sind noch die harmloseren Varianten. Die Politikerin hat oft geklagt. Das Zivilgericht in Berlin hatte vor einigen Jahren geurteilt, als Politikerin müsse sie sich die meisten der Beleidigungen gefallen lassen, etwa „ein Stück Scheiße“.

Oder auch diverse sexististische Posts. Ehrlich gesagt muss man sich dann nicht wundern, wenn Menschen in den Netzwerken immer noch eins drauf legen und immer aggressiver werden, wenn deutsche Gerichte solche Urteile fällen.

Renate Künast hat sich aber nicht unterkriegen lassen, sogar ein Buch geschrieben („Hass ist keine Meinung“) und immer wieder geklagt. Sogar bis zum Bundesverfassungsgericht. Das hat anders als einige Gerichte davor die Ansicht vertreten, auch Politiker hätten Persönlichkeitsrechte – und müssten sich derartige ausfällige Beleidigungen nicht gefallen lassen. Renate Künasts Anwälte hätten Anspruch darauf, von Facebook zu erfahren, wer die Beleidigungen geschrieben hat. Diese Auskunft hatte Facebook bislang nämlich stets verweigern.

Hass und Hetze erreicht immer neue Dimensionen

Hass und Hetze erreicht immer neue Dimensionen

Facebook muss Urheber von Hass-Posts verraten

Ein Urteil, an dem sich andere Gerichte nun werden orientieren müssen, da das Bundesverfassungsgericht den Rahmen zurechtgerückt hat.

Obwohl die Beleidigungen bereits Jahre zurückliegen, weiß die Politikerin nicht, wer sie geschrieben hat. Das wäre aber für ein Strafverfahren oder auch eine Zivilklage wichtig. Sie kennt also gar nicht die Täterinnen oder Täter. Das wird sich jetzt ändern, denn die Gerichte sind angewiesen, anders zu entscheiden – und könnten und werden vermutlich auch Facebook vorschreiben, Daten herauszugeben.

Erst dann könnte Renate Künast gegen diese Personen vorgehen. Ein Problem, das ja alle Menschen haben, die auf Plattformen wie Facebook oder Instagram beleidigt oder bedroht werden. Sie müssen sich immer erst mit den Plattformen auseinandersetzen, die praktisch nie konkrete Daten rausrücken. Wenn sich das jetzt ändert, könnten Opfer in Zukunft gezielt Strafanzeige stellen und auch Schmerzensgeld oder Schadenersatz fordern. Das hebt die Anonymität ein wenig auf.

Facebook muss Urheber von hAss-Postings benennen

Facebook muss Urheber von Hass-Postings benennen

Auch das NetzDG ist seit 1. Februar verschärft

Apropos Strafverfahren: Wir haben ja ein Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) – und das ist seit dieser Woche verschärft.

Bislang hat das NetzDG Anbieter großer Plattformen – also insbesondere Google, Facebook, Instagram, TikTok, Twitter etc. – verpflichtet, Postings mit Hass, Hetze und offensichtlich strafbaren Inhalten zu löschen. Aber nicht pro-aktiv, sondern immer erst, wenn den Netzwerken eine Meldung gemacht wird. Das hat auch einiges gebracht. Eine aktuelle Studie stellt fest, dass es auf Twitter rund 10% weniger Hass und Hetze gibt, seitdem das NetzDG in Deutschland in Kraft ist.

Aber Beleidigungen wie die gegen Renate Künast deckt das Gesetz nicht ab. Jetzt ist das Gesetz verschärft worden. Die Netzwerke müssen offenkundig strafbare Inhalte auch aktiv an eine „Zentrale Meldestelle für strafbare Inhalte“ (ZMI) melden, die extra beim Bundeskriminalamt (BKA) eingerichtet wurde.

Rund 200 Beamte arbeiten dort und sollen künftig Meldungen entgegennehmen. Die Netzwerke sollen die Postings melden, aber auch gleich einige Daten, etwa wer das gepostet hat, IP-Adresse etc. Die Beamten entscheiden dann, ob Strafverfahren eröffnet werden.

Plattformen klagen gegen das neue NetzDG

Plattformen klagen gegen das neue NetzDG

Was bringt das neue NetzDG?

Stellt sich die Frage: Wird das denn etwas bringen, würde da in Fällen wie Renate Künast helfen?

Persönliche Beleidigungen sind durch das NetzDG eher nicht abgedeckt. In Fällen wie bei Renate Künast bringt das NetzDG keinen Fortschritt. Experten rechnen aber damit, das rund 250.000 Fälle aktiv von den Netzwerken an das BKA gemeldet werden könnten. Bei der Zentralen Meldestelle arbeiten 200 Beamte. Rund 150.000 Strafverfahren könnten dadurch entstehen – wenn die Justiz überhaupt in der Lage ist, so viele Fälle zu bearbeiten.

Aber das würde eindeutig den Druck erhöhen, da es gefährlicher wird, öffentlich in den Netzwerken Hass und Hetze zu verbreiten. Allerdings haben Google, Facebook, Twitter und TikTok gegen das Gesetz geklagt. Sie wollen sich nicht zum Erfüllungsgehilfen der Justiz machen und haben auch Datenschutzbedenken.

Das muss erst geklärt werden, denn in der Tat haben selbst Institutionen wie HateAid, die gegen Hass und Hetze im Netz vorgehen wollen, Bedenken, dass so viele Daten aus den Netzwerken an das BKA gehen sollen. Das bedeutet: So lange die Klagen laufen, fließen auch keine Daten an das BKA. Wir werden abwarten müssen, wie Gerichte entscheiden.