Die ChatGPT-Macher wollen nicht mehr nur Software – OpenAI plant den großen Schritt in die Hardware-Welt. Was sich zunächst nach einem wilden Experiment anhört, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als cleverer Schachzug. Wir erklären euch, was dahintersteckt.
Der Deal des Jahres: 6,5 Milliarden für einen Designer
Im Mai 2025 machte OpenAI Schlagzeilen mit dem Kauf der Firma „io“ für 6,5 Milliarden Dollar – eine astronomische Summe für ein Start-up, das noch kein einziges Produkt auf den Markt gebracht hatte. Doch der Grund war klar: Jony Ive, der Mann hinter iPhone, iPad und iPod, sollte für OpenAI arbeiten.
Ive ist sozusagen der Michelangelo des Tech-Designs. Fast jedes Apple-Gerät, das ihr je in den Händen hattet, trägt seine Handschrift. Zwei Jahre lang hatten Ive und OpenAI-Chef Sam Altman bereits heimlich zusammengearbeitet, bevor sie den Deal offiziell machten.
Was ist das Besondere daran? Ive bringt nicht nur sein Know-how mit, sondern auch mindestens 25 ehemalige Apple-Mitarbeiter, die 2025 allein zu OpenAI gewechselt sind. Darunter sind Experte für Benutzeroberflächen, Audio-Technik und sogar der langjährige Siri-Interface-Designer Cyrus Daniel Irani.

Erste Geräte: KI zum Anfassen statt Bildschirm-Starren
Was plant OpenAI konkret? Die ersten Hinweise klingen faszinierend: Ein bildschirmloser Smart Speaker soll 2026 oder 2027 auf den Markt kommen. Stellt euch vor – ein Gerät ohne Display, das trotzdem intelligent mit euch interagiert.
Das Gerät soll mit Mikrofonen und Kameras ausgestattet sein, um die Umgebung wahrzunehmen und sich mit persönlichen Geräten wie Laptops und Smartphones zu verbinden. Es lernt euer Leben kennen und passt seine Antworten entsprechend an. Klingt wie Science Fiction? Ist es auch – aber Science Fiction, die bald Realität werden könnte.
Zusätzlich in der Pipeline: OpenAI entwickelt auch Brillen, einen tragbaren Pin und einen digitalen Sprachrekorder. Die Vision ist klar: eine komplette „Familie von KI-nativen Produkten“, wie es in Gerichtsunterlagen heißt.
Die Chip-Revolution: Weg von Nvidia
Parallel dazu arbeitet OpenAI an einem noch ambitionierteren Projekt: eigene Computer-Chips. Das Unternehmen will in den kommenden Monaten das Design seines ersten eigenen KI-Chips fertigstellen und plant die Herstellung bei TSMC, dem weltgrößten Chip-Hersteller.
Warum eigene Chips? Derzeit dominiert Nvidia den Markt für KI-Hardware fast vollständig. Das bedeutet hohe Kosten und lange Wartezeiten für Unternehmen wie OpenAI. Die Hardware-Anforderungen für das Training von Modellen wie GPT-4 werden auf Hunderte Millionen Euro geschätzt.
Mit eigenen Chips könnte OpenAI diese Abhängigkeit reduzieren und die Performance speziell für ihre KI-Modelle optimieren. Der erste Chip soll sowohl für das Training von KI-Modellen als auch für deren Anwendung genutzt werden können.
Das ist allerdings kein Kinderspiel: Ein einziger „Tape-out“ – der Prozess, bei dem ein erstes Design an eine Chip-Fabrik geschickt wird – kostet Millionen und dauert etwa sechs Monate. Ein vollständiges Chip-Programm kann bis zu 500 Millionen Dollar kosten, und das nur für eine Version.

Warum macht OpenAI das?
Die Antwort liegt in der Zukunft der KI-Nutzung. Während wir heute hauptsächlich über Smartphones und Computer mit KI interagieren, stellt sich OpenAI eine Welt vor, in der KI nahtlos in unseren Alltag integriert ist.
Jony Ive äußerte sich kritisch über die Auswirkungen des iPhones auf die Aufmerksamkeit und Ängste der Nutzer und sagte: „Ich trage viel Verantwortung für das, was diese Dinge uns gebracht haben.“ Mit OpenAI will er offenbar einen besseren Weg finden.
Die Vision ist gewaltig: OpenAI strebt an, irgendwann 100 Millionen Geräte zu produzieren und dieses Ziel „schneller zu erreichen, als jedes andere Unternehmen je 100 Millionen von etwas Neuem ausgeliefert hat“, so Altman in einem internen Gespräch.
Was bedeutet das für uns?
Noch ist vieles Spekulation. Die Geräte befinden sich in frühen Entwicklungsphasen, und ob die ambitionierten Zeitpläne eingehalten werden können, ist offen. Andere Technologieunternehmen wie Microsoft und Meta hatten bereits Schwierigkeiten bei der Entwicklung zufriedenstellender Prozessoren, trotz jahrelanger Entwicklung.
Aber die Richtung ist klar: KI wird vom Bildschirm in die physische Welt wandern. Statt ständig auf unser Handy zu starren, könnten wir bald mit intelligenten Geräten sprechen, die uns verstehen und helfen, ohne dass wir sie überhaupt sehen.
Konkurrenz und Konflikte
Interessant wird auch das Verhältnis zu Apple. Seit 2024 hat Apple OpenAIs Modelle in Siri und iOS integriert, während OpenAI parallel dazu Hardware mit ehemaligen Apple-Talenten und -Lieferanten entwickelt. Das könnte zu Spannungen führen, wenn OpenAIs Geräte in Konkurrenz zu Apple-Produkten treten.
Die Botschaft ist eindeutig: OpenAI will nicht nur der führende KI-Software-Anbieter bleiben, sondern die komplette Erfahrung kontrollieren – von der Software bis zur Hardware. Ob das gelingt, werden die nächsten Jahre zeigen.
Fest steht: Die KI-Revolution beschränkt sich nicht mehr auf Apps und Websites. Sie wird physisch – und OpenAI will dabei ganz vorne mitspielen.
Ob die Geräte wirklich so revolutionär werden, wie OpenAI verspricht, oder ob sie nur teure Spielereien bleiben, wird sich zeigen. Aber allein die Tatsache, dass ein reines Software-Unternehmen bereit ist, Milliarden in Hardware zu investieren, zeigt: Wir stehen am Beginn einer neuen Ära der Technologie.