Jörg Deep Fake

Deep Fakes: Auf dem Weg in die Infokalypse

Angela Merkel rappt, Joe Biden singt melancholische Songs, Bill Gates sing ausgelassen… Gerade geistern mal wieder kleine Videos durch die Sozialen Netzwerke, die eine ganz neue App generiert: Wombo heißt diese App. Mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz werden aus Fotos kleine Musik-Clips. Das Besondere daran: Die KI erweckt Fotos zum Leben – und das sieht täuschend echt aus. „Deep Fake“ wird das genannt. Die kleinen Clips sind durchaus unterhaltsam. Ich habe aber auch erhebliche Bedenken, um nicht zu sagen Sorgen, denn die Deep-Fake-Technologie wird immer besser – und könnte uns erhebliche Probleme bereiten.

Hollywood hat uns verdorben. Ich meine, so richtig verdorben. Was die Filmstudios in den letzten Jahren so alles auf die Leinwand gezaubert haben – meine Güte. Dinosaurier. Sturmfluten. Auf die Erde krachende Kometen. Kriegsheere bis zum Horizont.

Die Bilderfluten werden immer beeindruckender – echte Bilder braucht es da immer weniger.

Erst Hollywood – jetzt unser Smartphone

Wir können sicher sein: Alles, was wir uns nicht oder nur schwer vorstellen können, kommt garantiert aus dem Computer. Denn der kann heute so ziemlich alles zu Bildern machen – der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Realität und virtuelle Realität verschmelzen und sind nicht mehr zu unterscheiden.

Wir hätten also gewarnt sein müssen. Denn die aus dem Computer entsprungenen Bilder haben längst die Leinwand verlassen und unsere Wirklichkeit erreicht. Und zwar in Form von Deep Fakes. So werden Fotos, Videos oder Audios genannt, die ganz oder größtenteils mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz, KI, entstanden sind – und verblüffend echt aussehen.

Was sich früher nur Filmstudios leisten konnten, landet heute in unserer Hosentasche. Es gibt zahllose Apps, die mit Hilfe von KI solche Deep Fakes erzeugen – und uns amüsieren. Beim Onlineportal MyHeritage zum Beispiel können wir Fotos von Anverwandten hochladen – und Sekunden später bekommen wir kleine Filmchen zurück, in denen selbst längst verstorbene Menschen sich plötzlich wieder bewegen. Sie drehen ihren Kopf, lächeln, zwinkern mit den Augen. Es sieht verblüffend echt aus – ist aber das Ergebnis von KI.

Wombo App

KI kann mit jedem Gesicht alles machen

Denn KI weiß heute, wie ein Gesicht aussieht, wie es aussieht, wenn es sich bewegt – und kann das ohne viel Aufwand  imitieren.

Auch gerade beliebt: Die Wombo-App. Auch hier lädt der Nutzer ein Foto hoch – und die App lässt die Person singen und swingen, zum Rhythmus einer Musik, die der User selbst auswählt. Das Foto erweckt zum Leben – und die Person singt mit. Angela Merkel als Rapperin? Gar kein Problem.

Von der Leinwand auf die Hosentasche: Deep Fakes sind also in der Hosentasche angekommen. Zu einem Pop-Phänomen geworden.

Das könnten wir lustig und unterhaltsam finden, uns die Tränen der Heiterkeit aus den Augenwinkeln wischen und weiter arbeiten. Aber das wäre fatal. Denn dann übersehen wir – bei aller schönen Unterhaltung, die drohende Gefahr, die solche Deep Fakes mit sich bringen.

Welchen Medien können wir noch trauen?

Denn welchen Bildern können wir künftig noch trauen?

Wenn heute im Computer so ziemlich alles „erzeugt“ werden, wenn Deep Fakes Politiker Dinge sagen lassen, die sie nie gesagt haben – das aber so echt wirkend, dass niemand die Echtheit in Frage stellt – bedeutet das eins: Es gibt vielleicht schon bald bei Bildern und Tönen kein offensichtliches Echt und Unecht mehr. Kein wahr oder falsch. Fotos, Videos und Audios könnten wir den normalen Nutzer jede Beweiskraft verlieren.

Selbst was echt ist, könnte dann als Fake-Video bezweifelt werden. Deep Fake: Das könnte zum Modewort werden wie „Fake News“. Ein Stempel, den jeder überall anbringen kann, wenn ihm oder ihr was nicht passt.

Stellen wir uns vor, was geschickt platzierte Deep Fakes auslösen könnten  Ein Elon Musk, der sagt, er investiere wirklich sein ganzes Geld in Bitcoin – und der Kurs explodiert. Ein Joe Biden, der sich antisemitisch äußert. Eine Angela Merkel, die im Video abdankt. Wie in Hollywood sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt.

Wir steuern auf eine Welt zu, in der jedes Bild, jeder Ton  echt sein könnte – oder auch nicht. Über das Internet im Blitztempo verteilt. Die blitzschnellen Reaktionen lassen sich nicht mehr einfangen, weil niemand sich die Zeit nimmt, die Echtheit zu überprüfen.

Ich mache mir Sorgen. Wir sollten über die Zukunft der Bilder nachdenken.

 

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