Snapchat will neue Funktionen und Strategien vorstellen: Das scheint auch dringend nötig, denn andere Plattformen wie TikTok begeistern das junge Publikum derzeit mehr. Gibt es noch einen Ausweg aus der Krise?
Facebook, Twitter, TikTok, Instagram, Youtube – das sind die großen Namen aus der Welt der Sozialen Netzwerke. Doch es gibt noch eine weitere Plattform, von der man in letzter Zeit aber weniger hört: Snapchat.
Eine App, die vor allem bei den ganz Jungen beliebt war und ist. Doch im Vergleich zu den anderen Plattformen wächst die Nutzerzahl von Snapchat nicht so schnell… Das Unternehmen hinter Snapchat hat einige Neuerungen angekündigt, die der Plattform vielleicht noch mal Aufwind verschaffen. Schafft es Snapchat noch mal, in die Top-Riege aufzusteigen – und woran liegt es, dass der einstige Shooting-Star dahin dümpelt? Darüber möchte ich mit unserem Netzwelt-Kolumnisten Jörg Schieb reden.
Snapchat hat mit Schwierigkeiten zu kämpfen
Insbesondere Teenager und junge Erwachsene nutzen die App, um sich mit Freunden auszutauschen und ihre Erlebnisse in Form von Bildern und Videos zu teilen. Die App hat in der Vergangenheit viele Innovationen hervorgebracht, wie zum Beispiel die Stories-Funktion oder die Augmented-Reality-Filter. Also Filter, die live in ein Foto oder Video montiert werden.
Solche Erfindungen haben dazu beigetragen, dass Snapchat bei den Nutzern sehr beliebt geworden ist. Doch die Konkurrenz schläft nicht und hat einige dieser guten Ideen schnell aufgenommen und auch angeboten, teilweise sogar weiter entwickelt.
Die größte Konkurrenz für Snapchat ist zweifellos TikTok. Die chinesische Plattform begeistert die jungen User – und nimmt nahezu ihre gesamte Aufmerksamkeit in Beschlag. Hier gibt es am meisten zu sehen, hier sind alle, das Angebot ist riesig, es gibt viele Filter und Funktionen… Darunter leidet Snapchat am stärksten.
Snapchat hat 365 Mio. User
Die Nutzerzahlen von Snapchat wachsen weiter: 365 Millionen waren es Ende 2022.
Wieso reicht das nicht, die Nutzer zu begeistern? Die einfache Antwort: Die anderen Apps wachsen ebenfalls – und haben insgesamt mehr zu bieten. Ein weiterer Faktor ist die mangelnde User-Experience der App. Viele Nutzer haben Schwierigkeiten, sich auf Snapchat zurechtzufinden und finden die Bedienung umständlich. Das wird auch öffentlich debattiert – aber es passiert wenig, um das zu verbessern.
Auch die ständigen Änderungen am Design der App haben viele Nutzer verärgert. Zusätzlich hat Snapchat in der Vergangenheit immer wieder mit Datenschutzproblemen zu kämpfen gehabt. Dies hat das Vertrauen der Nutzer in die App geschwächt und dazu geführt, dass viele ihre Aktivitäten auf anderen Plattformen fortsetzen. Man muss es so sagen: Es wurden eine Menge Fehler gemacht, die andere Plattformen direkt für sich genutzt haben.
Das was gut war, wurde schnell von den anderen Plattformen kopiert – von Instagram sogar auf eine dreiste Art und Weise, aber mit Erfolg. Zum Beispiel die sich selbst auflösenden Nachrichten, die man nur einmal anschauen kann – das kam anfangs gut an, hat aber mittlerweile sogar WhatsApp zu bieten.
Snapchat hat als erster ChatGPT integriert
Aber Snapchat war in der Vergangenhit durchaus innovativ: Früher als andere hat Snapchat eine Art Chatbot eingeführt.
Snapchat hat einen Chatbot in die App eingebaut, der sich „My AI“ nennt. Allerdings erstmal nur für zahlende Snapchat-Plus-Kunden, die rund 5 EUR im Monat für solche Extras zahlen. Mittlerweile ist der KI-Chatbot aber für alle zu haben. Oberhalb des normalen Chat-Bereichs gibt es eine Chat-Registerkarte. Wer darauf tippt, kann direkt mit dem Chatbot plaudern. User können um Geschenkvorschläge für Freunde bitten, Rezepte abrufen oder ganz generell Fragen stellen.
Es handelt sich dabei um ChatGPT, die KI von OpenAI, über die im Augenblick alle reden. Aber eine abgespeckte Version: Die User können weder ihre Hausaufgaben beim Bot bestellen, noch damit in der Schule spicken. Auch soll der Chatbot Flüche, Gewaltdarstellungen sowie sexuelle oder politisch heikle Themen aussparen. Eine weichgespülte Version von ChatGPT, für das junge Publikum.
Snapchat könnte von TikTok-Verbot profitieren
Aber auch das hat jetzt nicht für einen Sturm auf die App gesorgt. Wenn TikTok in den USA verboten würde, was ja nicht undenkbar wäre, was würde das für Snapchat bedeuten?
Ein Verbot von TikTok in den USA wäre natürlich ein Game Changer: Die jungen User würden dann nicht zu Facebook oder Instagram gehen, sondern am ehesten zu Snapchat. Der Börsenkurs hatte auch mehrfach auf solche Ankündigungen positiv reagiert. Snapchat wäre dann eindeutig der Gewinner, erst mal.
Aber damit wären die Probleme weltweit nicht gelöst. Snapchat muss sich neu erfinden. Einen eigenen Charakter entwickeln, der die App – wieder – einzigartig macht. Seien wir gespannt, was das Unternehmen am Mittwoch vorstellt. Wenn es gelingt, mit guten und innovativen Ideen zu punkten, besteht durchaus eine Chance.