2019 hat die EU die umstrittene Urheberrechtsreform auf den Weg gebracht. Deutschland muss sie in geltendes Recht umsetzen – und hat jetzt ebenfalls eine Reform vorgelegt. Richtig zufrieden ist keiner damit, weder die Nutzer, noch die Plattformen oder Urheber.
Mein Foto, mein Text, mein Lied… Wer kreativ ist und Werke erschafft, ist eigentlich durch das Urheberrecht geschützt. Texte, Musik, Fotos, Filme dürfen nicht einfach so kopiert werden. Wer sie nutzen möchte, muss dafür bezahlen. So war das vor dem Internet. Doch das Internet hat alles durcheinandergebracht. Hier wird alles lustig und ungeniert kopiert und vervielfältigt.
Deshalb hat die EU-Kommission 2019 eine EU-Urheberrechtsverordnung auf den Weg gebracht, die nun auch in Deutschland in geltendes Recht umgesetzt wird. Um die Interessen von Künstlern, Verlagen, Internetdiensten und Nutzern zu regeln. Die Bundesregierung hat eine Urheberrechtsreform beschlossen.
Urheberrechtsreform: Kompromisse – aber keine klare Linie
Bundesjustizministerium, Bundeswirtschaftsministerium und Kanzleramt haben monatelang um eine Lösung gerungen. Diese Lösung – man muss sie wohl Kompromiss nennen – soll die Interessen von Urhebern, Internetanbietern und Nutzern gleichermaßen berücksichtigen – und muss zudem auch noch der EU-Urheberrechtsreform genügen.
Und wie das so ist, wenn man es allen Recht machen will: Keiner ist richtig zufrieden. Die Bundesregierung hat einen 174 Seiten umfassenden Gesetzentwurf vorgelegt. Das Gesetz versucht zu regeln, unter welchen Umständen und wie viel aus Kunstwerken zitiert werden darf, ohne dass Lizenzen anfallen. Denn es muss gelingen, Urheber wirksam zu schützen – denn es gibt im Internet nun wirklich jede Form von Missbrauch von Inhalte-Nutzung -, ohne die Nutzer durch zu viele Regeln zu ersticken.
Ein wichtiger Punkt: Im Internet gibt es ja viele Kreative, die aus Inhalten aus unterschiedlichsten Quellen neue Inhalte zusammenbauen. Parodien, Satire, unterhaltsame Videos.
Fragt sich: Wird es die in Zukunft noch geben?
Zitatrecht: 15 Sekunden Schnipsel
Ja, denn das Gesetzespaket sieht gewisse Zitatrechte vor. Nutzer, die nicht-kommerzielle Inhalte herstellen, zum Beispiel Spaß-Videos auf Youtube, dürfen in Zukunft bis 15 Sekunden lange Ausschnitte aus Filmen, Videos und Audios benutzen, ohne dass Lizenzen anfallen. Das bedeutet: Ein 10 Sekunden langer Ausschnitt aus einem Song, aus einem anderen Video, einer Tagesschau-Beitrag oder einem anderen Video gehen klar.
Ebenso 15 Sekunden Musik. Diese 15-Sekunden-Regel ist gar nicht so schlecht. Denn sie erlaubt eine gewisse künstlerische Freiheit – verhindert aber, dass ungeniert kopiert und geklaut wird. Es gibt also ein Recht auf legale Nutzung und Zitate, aber begrenzt. So wie Zitate schon immer rechtlich begrenzt waren. Recht kompliziert ist es bei Fotos und Grafiken: Die dürfen nur 125 KByte groß sein.
Texte: Nur 160 Zeichen erlaubt
Eine andere Baustelle sind ja Texte. Presseverlage wollen am liebsten, dass praktisch gar keine Ausschnitte aus ihren Artikeln genutzt werden dürfen, zum Beispiel in Suchmaschinen. Was sieht der Gesetzentwurf da vor?
Geschützt ist die Verwendung von bis zu 160 Zeichen, die lizenzfrei verwendet werden dürfen. Das ist die Länge eines Tweets auf Twitter. Ursprünglich waren bis zu 1.000 Zeichen geplant. Aber hier hat sich offensichtlich die Verlags-Lobby durchsetzen können. Herausgekommen ist eine weltfremde Grenze, denn 160 Zeichen ist wirklich sehr wenig.
Folgen für die User
Die User laden ihre Inhalte ja in der Regel über die Plattformen hoch – also Youtube, Facebook, Instagram, Tiktok etc.. Und die werden nun verantwortlich gemacht für die hochgeladenen Inhalte. Sie müssen Lizenzen erwerben, damit die User die Inhalte nutzen dürfen. Also Inhalte über die 15-Sekunden-Grenze hinweg.
Die Plattformen müssen diese Rechte bei den Urhebern direkt oder bei Verwertungsgesellschaften wie der Gema erwerben. Jede Musik, die länger als 15 Sekunden zu hören ist, muss lizensiert sein zum Beispiel. Die Plattformen werden also versuchen, gewisse Nutzung zu unterbinden, um nicht unnötig Lizenzen zahlen zu müssen oder in Regressen genommen zu werden.
Gut möglich, dass sie dann tatsächlich so etwas wie die gefürchteten Upload-Filter einbauen. Die prüfen dann, wenn User etwas hochladen wollen – und blockieren, wenn es gegen geltendes Recht verstößt. Nur werden diese Filter niemals wirklich zuverlässig funktionieren können. Das wird noch ein Chaos werden.
„Roter Knopf“ für Urheber
Aber was kann ein Urheber konkret machen, wenn er bemerken sollte, dass selbstproduzierten Sachen irgendwo illegal genutzt werden?
Da gibt es so eine Art einen „roten Knopf“. Entdeckt ein Kreativer – etwa ein Filmstudio oder ein Fotograf – in einer Plattform die Nutzung seiner Inhalte, die gegen geltendes Recht verstößt, soll er das das melden können. Bei besonders dreisten Verstößen, die große Konsequenzen haben, etwa wenn ein ganzer Kinofilm im Netz landet, müssen die Plattformen das nicht nur klären, sondern den markierten Beitrag direkt sperren.
Auch Urheber nicht zufrieden
Den Eindruck habe ich nun wirklich nicht. Es wird sicher in Zukunft sehr häufig Streit darüber geben, ob etwas geschützt ist oder nicht, ob es 14 oder 16 Sekunden Nutzung waren, ob es sich um Kunstfreiheit handelt oder Satire. Es wird Falschmeldungen geben und Inhalte werden erst mal fälschlicherweise gesperrt.
Automatisch durch Upload-Filter – das wird „Overblocking“ genannt. Es wird ein ganz schönes Durcheinander geben, fürchte ich. Und es ist trotzdem längst nicht sicher, dass Urheber dadurch mehr Geld bekommen. Ein wirklich großer Wurf scheint mir das nicht zu sein.