App Stores als neue Türsteher: Müssen Apple und Google künftig den Ausweis sehen?

von | 02.12.2025 | Internet, Social Networks

Die USA machen Ernst beim Jugendschutz – und schicken Apple und Google an die digitale Eingangskontrolle. Ein neuer Gesetzentwurf will App-Store-Betreiber in die Pflicht nehmen, wenn es um Alterskontrollen geht. Könnte das auch bei uns zum Modell werden? Während in Deutschland die Diskussion über Altersgrenzen für Social Media hochkocht, zeichnet sich in den USA ein ganz neuer Ansatz ab.

Der neue Sheriff im digitalen Wilden Westen

Stellt euch vor, ihr wollt in den Supermarkt und müsst euren Ausweis zeigen – nicht an der Kasse, sondern schon am Eingang. Genau das will der „App Store Accountability Act“ für die digitale Welt einführen. Der Gesetzentwurf, der aktuell in den USA diskutiert wird, würde Apple und Google zwingen, das Alter ihrer Nutzer zu überprüfen, bevor sie überhaupt eine App herunterladen können.

Die Idee dahinter klingt erst mal logisch: Genau wie der Supermarkt prüfen muss, ob du alt genug für Alkohol oder Zigaretten bist, sollen die App-Store-Betreiber checken, ob du alt genug für bestimmte Apps bist. Die Verantwortung würde also nicht mehr bei den einzelnen App-Anbietern liegen, sondern bei den großen Plattformen. Quasi zentrale Türsteher für die digitale Welt.

Wenn Kids ein Smartphone nutzen, haben Eltern jede Kontrolle verloren
Wenn Kids ein Smartphone nutzen, haben Eltern jede Kontrolle verloren

Vorreiter aus Utah und Texas

Ganz neu ist die Idee nicht. Einige US-Bundesstaaten preschen bereits vor. In Utah müssen Apple und Google schon jetzt Altersprüfungen durchführen. Texas und Kalifornien ziehen nach – allerdings noch ohne harte Kontrollen. Wer einen neuen Account anlegt, muss dort zwar bestätigen, ob er über 18 ist, aber bisher reicht ein simples „Ja, bin ich“. Einen Ausweis hochladen? Fehlanzeige. Die Hürde ist also noch niedrig, aber immerhin: Der erste Schritt ist gemacht.

Google hat bereits in einigen Regionen strengere Regeln eingeführt. Für bestimmte Apps mit einer Altersfreigabe ab 18 Jahren müssen Nutzer mittlerweile ihr Alter nachweisen – per Ausweisdokument, Selfie, Kreditkarte oder über Drittanbieter. Das sorgt natürlich für Diskussionen: Viele fragen sich, wie sicher ihre Daten bei solchen Verfahren sind.

Apple sieht rot – und schwarz für den Datenschutz

Nicht alle sind begeistert von der Idee. Apple wehrt sich vehement gegen die geplante Regelung. Der iPhone-Hersteller argumentiert, dass präzise Altersangaben und weitere persönliche Details das Datenschutzversprechen untergraben würden, das man den Nutzern gegeben hat. Apple hatte erst kürzlich seine Jugendschutz-Funktionen ausgebaut – bewusst so, dass nur ungefähre Alterskorridore statt exakter Altersangaben mit App-Entwicklern geteilt werden.

Interessanterweise stehen auf der anderen Seite ausgerechnet Meta, X (ehemals Twitter) und Snap – also die Social-Media-Konzerne selbst. Sie unterstützen den Gesetzentwurf. Warum? Für sie hätte das einen entscheidenden Vorteil: Sie müssten sich nicht mehr selbst um die lästige Alterskontrolle kümmern. Das wäre dann Apples und Googles Problem.

Die Befürworter haben noch ein weiteres Argument: Für euch als Nutzer wäre es bequemer. Ihr müsstet euch nur einmal ausweisen – beim App-Store-Betreiber – und nicht bei jeder einzelnen App separat. Ein zentraler Check statt endlose Einzelkontrollen.

TikTok ist die beliebteste App unter Jugendlichen
TikTok ist die beliebteste App unter Jugendlichen

Auch Deutschland diskutiert – aber anders

Bei uns in Deutschland läuft die Diskussion parallel, aber unter anderen Vorzeichen. Statt über App-Store-Kontrollen sprechen wir vor allem über Altersgrenzen für Social Media selbst. Die Debatte ist in vollem Gang: Sollen Instagram, TikTok und Co. erst ab 16 zugänglich sein? Oder sogar erst ab 18?

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Laut einer aktuellen YouGov-Umfrage wünschen sich über 70 Prozent der Deutschen ein Mindestalter für Social Media. 57 Prozent sind für eine Grenze bei 16 Jahren, 16 Prozent würden sogar 18 Jahre als Untergrenze bevorzugen. Nur 15 Prozent meinen, es brauche keine Altersbeschränkung.

Die Bundesregierung hat das Thema auf dem Radar und eine Expertenkommission einberufen. Ergebnisse sollen im Herbst 2026 vorliegen. Bundesbildungsministerin Karin Prien (CDU) betont, dass Kinder besser geschützt werden müssen, will sich aber nicht auf eine fixe Altersgrenze festlegen. Auch die renommierte Leopoldina-Akademie hat sich eingeschaltet: Ihre Wissenschaftler empfehlen, dass Kinder unter 13 Jahren keine Social-Media-Accounts einrichten dürfen sollten. Für 13- bis 15-Jährige sollte eine Nutzung nur mit elterlicher Zustimmung möglich sein.

Europa macht Druck – mit digitaler Brieftasche

Auf EU-Ebene wird bereits konkret an Lösungen gearbeitet. Das EU-Parlament fordert in einer Resolution eine europaweite Altersgrenze von 16 Jahren für soziale Medien – es sei denn, die Eltern stimmen vorher zu. Für Kinder unter 13 soll der Zugang komplett gesperrt werden.

Als technische Lösung setzt die EU auf die sogenannte EUDI-Wallet – eine digitale Brieftasche, die einen datenschutzkonformen Altersnachweis ermöglichen soll. Damit könntet ihr euer Alter nachweisen, ohne jedes Mal euren kompletten Ausweis hochladen zu müssen. Die Wallet soll Ende 2026 zur Verfügung stehen. Ob das dann tatsächlich so kommt und wie gut das funktioniert? Abwarten.

Familie interagiert am Computer für digitale Kommunikation.

Zwischen Schutz und Realitätsverweigerung

Nicht alle finden die Idee von Altersgrenzen gut. Der Deutsche Lehrerverband nennt sie sogar „realitätsfern“. Verbandspräsident Stefan Düll argumentiert: Facebook, Instagram und TikTok sind Teil der Realität, in der junge Menschen lernen müssen, sich zurechtzufinden. Verbote würden da nicht weiterhelfen.

Die Kritiker haben einen Punkt: Bisher funktionieren Alterskontrollen im Netz kaum. Die meisten Plattformen verlassen sich auf simple Selbstauskünfte – ein Pop-up-Fenster, in dem ihr euer Geburtsdatum eingebt. Das ist natürlich leicht zu umgehen. Nur drei Prozent der Befragten in der YouGov-Umfrage halten die aktuellen Kontrollen für ausreichend.

Marc Jan Eumann, Leiter der Kommission für Jugendmedienschutz, bringt es auf den Punkt: „Es gibt bereits Dutzende Angebote zur Altersprüfung im Netz. Wer Jugendliche ernsthaft schützen will, kann das längst tun.“ Über die Betreiber sagt er deutlich: „Ich habe keinen Zweifel, dass sie alles machen können. Sie tun es nur nicht, wenn es ihr Geschäftsmodell gefährdet.“

Das Dilemma: Kontrolle vs. Kompetenz

Die Diskussion dreht sich im Kreis. Auf der einen Seite stehen berechtigte Sorgen um die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Studien zeigen, dass intensive Social-Media-Nutzung negative Auswirkungen haben kann – von Schlafstörungen über Depressionen bis zu suchtähnlichem Verhalten.

Auf der anderen Seite steht die Frage: Helfen Verbote wirklich? Oder sind sie nur Symbolpolitik, während Jugendliche Wege finden, die Kontrollen zu umgehen? Viele Experten fordern stattdessen mehr Medienkompetenz in Schulen und eine aktivere Rolle der Eltern. Dazu kommt das grundsätzliche Problem: Social Media hat auch positive Seiten. Jugendliche vernetzen sich, entwickeln Kreativität und lernen digitale Kommunikation.

Die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz betont, dass ein generelles Verbot sogar gegen die UN-Kinderrechtskonvention verstoßen würde. Kinder und Jugendliche hätten ein Recht auf digitale Teilhabe. Der richtige Weg sei nicht, sie auszusperren, sondern die Plattformen sicherer zu machen.

Was bringt die Zukunft?

Der US-Ansatz, App-Store-Betreiber in die Pflicht zu nehmen, könnte tatsächlich effektiver sein als individuelle Kontrollen bei jeder App. Wenn Apple und Google zentral das Alter prüfen und diese Information dann verschlüsselt an die Apps weitergeben, wäre das technisch umsetzbar. Und vermutlich schwerer zu umgehen als die bisherigen Lösungen.

Ob sich das Modell durchsetzt – in den USA und vielleicht auch bei uns? Das wird sich zeigen. Die Diskussion ist jedenfalls in vollem Gang. Und eines ist klar: Das bisherige System mit selbst ausgefüllten Geburtsdaten funktioniert nicht. Irgendwas muss sich ändern.

Die Frage ist nur: Wollen wir wirklich eine Welt, in der jeder Download, jeder App-Zugang mit einem digitalen Ausweischeck verbunden ist? Oder gibt es bessere Wege, Kinder zu schützen, ohne die digitale Freiheit aller einzuschränken? Die Balance zwischen Jugendschutz, Datenschutz und digitaler Teilhabe zu finden, wird eine der großen Herausforderungen der kommenden Jahre sein.

Eins steht fest: Die Zeiten, in denen ein simples „Ja, ich bin über 18“ ausreicht, sind gezählt. Ob das gut oder schlecht ist? Das dürft ihr am Ende selbst entscheiden.